Nach einem ereignisreichen Wochenende (Tagesausflug in die weltber眉hmte Universit盲tsstadt Oxford und die Metropole London 鈥 beides absolut sehenswert!) starte ich in meine letzte Woche in der City Hall Bristol.
Etwas wehm眉tig bin ich schon, der letzte Monat ist f枚rmlich an mir vorbeigeflogen. Von Caroline habe ich mich schon letzte Woche verabschiedet, da sie seit Freitagabend in ihren wohlverdienten Sommerurlaub gestartet ist. Das restliche Team aber sehe ich in dieser Woche noch, worauf ich mich sehr freue.
Montags lerne ich dann noch zuf盲llig eine Kollegin kennen, die neu in ihrer Rolle ist (allerdings nicht neu hier in der Verwaltung) und die sich spontan f眉r mich Zeit nimmt. Ihre Aufgaben fallen in den Bereich des 鈥淥ne-City-Ansatzes鈥: Er bringt eine Vielzahl von Partner:innen aus dem 枚ffentlichen, privaten und dritten Sektor in Bristol zusammen. Alle haben das gemeinsame Ziel, Bristol zu einer fairen, gesunden und nachhaltigen Stadt zu entwickeln. Ich erfahre au脽erdem, dass sie sich schon zum dritten Mal in den letzten Jahren erfolgreich f眉r eine interne Entsendung beworben hat, d.h. ihre neue Position wird sie diesmal f眉r ein Jahr ausf眉llen und falls diese nicht verstetigt wird, kehrt sie zur眉ck zu ihrem alten Team. Diese Art von secondment scheint hier im Bristol City Council gar nicht un眉blich. Ziemlich flexibel und agil, wie ich finde. Es hat den Vorteil viele verschiedene Arbeitsbereiche kennenzulernen und mit diversen Teams zusammenzuarbeiten, es verbessert die
Kommunikation und das Verst盲ndnis f眉r Arbeitsstrukturen anderer Abteilungen. Au脽erdem kann man sich pers枚nlich und fachlich weiterentwickeln. Diese Option werde ich in Lichtenberg vielleicht auch mal n盲her unter die Lupe nehmen.
Jacob aus unserem Team gibt mir Einblicke in seinen Bereich des Fundraisings und berichtet von den Herausforderungen. Diese liegen einerseits begr眉ndet im BREXIT (diverse EU-T枚pfe fallen nun weg), und andererseits auch im Mangel an Ressourcen innerhalb der Bristoler Verwaltung. Schlicht und einfach gibt es nicht immer genug Personal und zeitliche Kapazit盲ten, um die Projekte inhaltlich in den verschiedenen Abteilungen zu steuern und umzusetzen, f眉r die er Mittel einwirbt. Auch dieses Problem kommt mir bekannt vor, denn auch ich bin in Lichtenberg bei vielen Vorhaben auf die Expertise meiner Kolleg:innen aus den Fachabteilungen angewiesen.
Dar眉ber hinaus stehen diese Woche noch Gespr盲che mit Rebecca und Mohammed zum Thema Diversity, Gleichstellung bzw. Integration an. Wieder einmal bin ich begeistert, wie offen alle hier im City Council sind, sich mit mir zu treffen. Sogar ein voller Terminkalender und Posteingang nach urlaubsbedingter Abwesenheit stellt hier kein Hindernis dar, wie im Fall von Rebecca. Sie ist seit 3 Jahren Head of Equality and Inclusion und beantwortet mir bereitwillig viele meiner Fragen. So ist auch in Bristol wie in Lichtenberg im Bereich Vielfalt noch Luft nach oben; besonders die junge Generation f眉hlt sich von der Verwaltung als Arbeitgeber nicht unbedingt angesprochen. Zumindest versucht man hier bereits jetzt dem entgegenzusteuern, u.a. durch flexible Arbeitszeitmodelle sowie Einsatz- und Entwicklungsm枚glichkeiten eines jeden, um die Arbeitgebermarke Bristol City Council attraktiver zu machen.
Mohammed ist erst seit knapp 10 Jahren in Gro脽britannien, nachdem er selbst aus Eritrea fl眉chten musste. Seines Zeichens Pharmazeut begann er zun盲chst ehrenamtlich in Bristols Refugee Welcome Center zu arbeiten. Mittlerweile ist er seit 6 Jahren in der Verwaltung im Bereich Migration angestellt und erinnert sich u.a. noch gut an einen Austausch mit N眉rnberg kurz vor Ausbruch der Coronakrise. Dort habe man eine Woche lang mit deutschen Expert:innen aus dem Bereich Migration erfolgreich zusammengearbeitet und voneinander lernen k枚nnen. Ein EU-gef枚rdertes Programm, so erinnert er sich, das nun mittlerweile f眉r ihn durch BREXIT zum Erliegen kam. Dabei sei es doch so wichtig, besonders in Zeiten wie diesen, die internationale Zusammenarbeit aufrecht zu erhalten. Das sehe ich genauso und habe direkt einen spontanen Gedanken dazu. Lichtenberg plant in diesem Jahr an einem internationalen Projekt zum Thema Europe against Racism teilzunehmen, koordiniert durch die Europ盲ischen
Akademie 欧美情色. Schnell greife ich zum H枚rer, um M枚glichkeiten einer etwaigen Beteiligung Bristols auszuloten. Zwar wird auch dies aus europ盲ischen T枚pfen finanziert, allerdings besteht u.U. dennoch Hoffnung auf eine Teilnahme, so die Projektleiterin – dies m眉sse sie jedoch zun盲chst einmal eruieren. Ich dr眉cke uns jetzt schon einmal die Daumen und verspreche mit Mohammed in Kontakt zu bleiben.
Auch der Uni Bristol darf ich mit noch vorstellen und mit Mark (aus dem Fachbereich Deutsch) sowie mit Ola aus dem Bereich Internationale Beziehungen sprechen. So bringt die Global Lounge internationale und Bristoler Studierende in verschiedenen Formaten zusammen. Ob beim gemeinsamen Kochen, w盲hrend einer Campustour oder eines gemeinsamen Stadtrundgangs 鈥 Olas Team verf眉gt 眉ber ein kleines Budget und viele Ideen, auf dass sich alle willkommen f眉hlen. Auf jeden Fall ein weiterer Impuls f眉r mich in Lichtenberg, mich mit den Hochschulen einmal n盲her auszutauschen.
Eigentlich w盲re diese Woche auch noch ein Treffen mit dem sogenannten Lord Mayor vorgesehen – der 眉brigens auch so genannt wird, im Fall einer weiblichen Person. Es gibt derzeit in Bristol den Mayor (d.h. den B眉rgermeister, bei uns vergleichbar mit Lichtenbergs Bezirksb眉rgermeister bzw. auf Senatsebene der Regierende B眉rgermeister) und den Lord Mayor. Die deutsche 脺bersetzung 鈥淥berb眉rgermeister鈥 finde ich hier etwas irref眉hrend, denn die Rolle Lord Mayor ist in England, abgesehen von der Leitung der Ratssitzungen, eine eher zeremonielle Funktion und immer auf ein Jahr angelegt. Bristols Lord Mayor ist jedoch leider momentan im Krankenstand. Seine Vertretung traf ich kurz in meiner ersten Woche, als sie franz枚sische Austauschsch眉ler:innen begr眉脽te und dabei erw盲hnte, dass sie im letzten Jahr ca. 600 Verpflichtungen wahrnehmen durfte. Von gro脽en B眉rgerveranstaltungen wie der j盲hrlichen Remembrance Sunday-Parade bis hin zur Begegnung, Unterst眉tzung und
Vernetzung lokaler Gemeinschaften und Organisationen. Jede der Fraktionen in Bristol 眉bernimmt abwechselnd das Amt, denn Lord Mayor wird immer einer der amtierenden Stadtr盲t:innen. Gew盲hlt wird er oder sie von den restlichen; nach Ablauf der Amtszeit wird man normalerweise stellvertretender Lord Mayor. Spannend, wie anders das politische System hier aufgebaut ist.
Da diese Woche voll im Zeichen des jamaikanischen Nationalfeiertags am Wochenende steht, werde ich auch hier aktiv mit eingebunden und erhalte spannende Einblicke. Gemeinsam mit meiner Kollegin bereite ich die Briefings f眉r Flaggenhissung bzw. Festakt f眉r die Kolleg:innen vor. Mein letzter Einsatz f盲llt somit diesmal auf einen Samstag, an dem die jamaikanische Gemeinde ihre Feierlichkeiten begeht. Lord Mayor (im traditionellen rot schwarzen Gewand mit Hut) und Mayor bzw. ihre jeweiligen Vertretungen (d.h. Frauenpower im Doppelpack) hei脽en die Gemeinde willkommen und nehmen Bezug auf ihre eigenen Wurzeln, n盲mlich irischer bzw. jamaikanischer Natur. Ich lerne, dass weder Iren noch Jamaikaner:innen in der Vergangenheit in England unbedingt wohl gelitten waren. Die Diskriminierung von Menschen mit jamaikanischer Biographie sind allerdings auch in j眉ngster Vergangenheit im Vergleich noch weitaus pr盲senter und h盲ufig strukturell bedingt. Ich bin 眉berrascht, dass es auch hier
Anfang der 1960er Jahre einen sogenannten Bristol Bus Boykott gegeben hatte, der sich nun zum 60. Mal j盲hrt. Jamaikanischen Einwander:innen waren bestimmte Berufe versagt. So provozierte die Weigerung der Bristoler Omnibus Gesellschaft einen jamaikanischen Busfahrer zu besch盲ftigen 1963 landesweite Proteste, die in einem monatelangen Busboykott m眉ndeten, bis das Unternehmen einlenkte und seine diskriminierende Politik aufgab.
Asher, deren Eltern aus Jamaica stammen und die ich als stellvertretende B眉rgermeisterin bereits in meiner ersten Woche im Rahmen der Steuerungsrunde zum Thema Erinnerungskultur traf, berichtete mir au脽erdem von einer Reise nach 欧美情色 im n盲chsten Monat. Anlass sei das Projekt Dekoloniale Ende September und ein Wiedersehen sei doch eine sch枚ne Idee. Dem kann ich nur vollends zustimmen.
Mein Abschiedslunch mit dem Team Internationales ist bitters眉脽. Wir besuchen das Watershed, ein Kulturzentrum mit Restaurant und Kinos盲len in der N盲he des Hafens. Ein Kleinod, was mich an Kreuzberger Orte erinnert. Zum Abschied bekomme ich zur Erinnerung noch ein internationales Kochbuch mit Rezepten aus aller Welt und Schoki samt Tasse aus Bristol. Es waren intensive und sehr sch枚ne Tage im Rathaus Bristol, eine Erfahrung, die ich keinesfalls missen m枚chte.